Die Globalisierung der Natur - Eine Bereicherung der Vielfalt oder doch ein Problem?

05.05.2025 - Marina Dirksen
Hallo, ich bin Marina und gerade in einem Freiwilligendienst in Argentinien, genauer gesagt im Patrimonio Natural del Pilar. Heute möchte ich euch mitnehmen auf eine Reise durch die Globalisierung der Natur. Dabei schaue ich auf Exotische Pflanzen und die Frage, ob sie eine Bereicherung oder ein Problem für unsere Biodiversität sind. Bevor ich darauf zusprechen komme, möchte ich euch aber erst kurz erläutern, was ich mit der Globalisierung der Natur meine.

Globalisierung, ein Wort, das vielen von euch bestimmt bekannt vorkommt. Ein Wort, welches vermutlich häufig mit Wirtschaft in Verbindung gebracht wird, aber als Globalisierung wird der Prozess von weltweiten Verflechtungen in allen Lebensbereichen bezeichnet. Also auch dem Bereich Natur und Umweltschutz. Globalisierung ist ein normaler und normalerweise langsamer Prozess. Aber seit dem Beginn der Industrialisierung beschleunigen wir den Wandel. Das kann Vorteile mit sich bringen, aber die Natur muss oft darunter leiden.
Auch Exotische Pflanzen sind zum Teil ein Ergebnis der Globalisierung. Aber sind sie denn jetzt eine Bereicherung oder ein Problem für unsere Vielfalt? Um das beantworten zu können, muss man exotische Pflanzen unterscheiden. Denn nicht jede exotische Pflanze ist gleich und nicht jede ist problematisch. 

Es gibt die Kategorie der Nicht-Invasiven und die der Invasiven und, wer hätte es gedacht, die erste Kategorie stellt keine sonderlich große Gefahr dar. Ein Beispiel dafür ist Mais (Zea Mays), dieser kommt ursprünglich aus Mittelamerika, ist für uns in Deutschland aber eine elementar wichtige Nutzpflanze und wurde aus diesem Grund auch bewusst von uns in Deutschland eingeführt. In Argentinien wäre ein Beispiel die bei uns in Deutschland beheimatete Brennnessel (Urtica dioica), sie zählt dort zu den exotischen Arten. Sie punktet aber mit vielen medizinischen Vorteilen. Problematisch sind die exotischen Pflanzen der Kategorie Invasiv. Nehmen wir ein Beispiel, das mich bei meinem Freiwilligendienst in Argentinien begleitet.

An den Wochenenden sind wir eigentlich immer in der Reserva Natural del Pilar und wenn nicht gerade andere Aktivitäten stattfinden, bekämpfen wir die Invasiven Pflanzen. Bei vielen Pflanzen können wir sie einfach mitsamt Wurzel entfernen. Aber es gibt eben auch Invasive Bäume und bei denen ist es etwas komplizierter.
Foto: Marina Dirksen
An meinem ersten Wochenende in Argentinien habe ich Bekanntschaft mit der Acacia negra (Gleditsia trisconthos) oder auf deutsch die “Amerikanische Gleditschi“ gemacht. Ich habe damals noch nicht so wirklich verstanden, warum sie eine so große Gefahr darstellt, außer dass sie sehr lange Dornen besitzt. Aber heute weiß ich es besser. Ich erzähle euch das, weil die Acacia negra eine gefährliche Invasive Art in Teilen Argentiniens ist und somit auf Argentiniens Liste der Invasiven exotischen Arten steht.

Ursprünglich kommt sie aus dem Südosten der USA im Einzugsgebiet des Mississippi und gehört zu der Familie der Hülsenfrüchtler. Die Hülsenfrüchte sind auch der Grund für ihre rasante Verbreitung, denn Tiere essen diese gerne und verbreiten die unverdaulichen Samen dann mit ihrem Kot.
Foto: Marina Dirksen
Das Problematische an diesem Baum ist, dass er keinerlei Fauna beherbergt und rund um ihn herum ebenfalls kein Leben ist. Dies lässt sich auf ein Phänomen zurückführen, welches in der Fachsprache als Allelopathie bekannt ist. 

Allelopathie beschreibt ein natürliches Phänomen, bei dem Pflanzen Substanzen freisetzen, die andere Pflanzen beeinflussen können. Diese Beeinflussung kann sowohl positiv als auch negativ sein. So können Pflanzen zum Beispiel das Wachstum ihrer Konkurrenten hemmen oder eben sogar ganz verhindern. Dies ist eigentlich ein positiver Effekt, weil Pflanzen sich damit verteidigen können. Aber bei unserem Beispiel der Acacia negra ist es eben negativ, weil sie somit sämtliche einheimische Arten verdrängt und der Biodiversität schadet.
Aber was dagegen tun? Einfach rausreißen ist oft nicht möglich und fällen ist auch keine Lösung. Es schadet dem Ökosystem ebenfalls und zudem sind dann die Wurzeln des Baumes immer noch vorhanden und funktionstüchtig.

Also verwenden wir in der Reserva eine weltweit verbreitete Methode. Im Spanischen heißt sie “Anillado”, im Deutschen kennt man es unter “Ringelung”. Dabei wird ein mindestens 5 cm breiter Streifen im unteren Bereich des Baumes ringförmig entfernt. 

Der Grund dafür ist, dass man damit einen Teil des Transportsystems, das sogenannte Phloem, zerstört. Das Phloem ist für den Transport von organischen Stoffen, wie zum Beispiel Zucker, zuständig. Durch die Ringelung wird das Phloem zerstört und der Transport von organischen Stoffen wird unterbrochen.
Foto: Marina Dirksen
Bis der Baum an diesem Nährstoffmangel stirbt, kann es allerdings ungefähr drei Jahre dauern. Denn für den Transport von Wasser und darin gelöste anorganische Salze ist das Leitgefäß Xylem zuständig und dies liegt tiefer im Stamm und bleibt somit unbeschädigt. Die Methode der Ringelung ist zwar ein guter Weg, braucht aber seine Zeit.
Foto: Marina Dirksen
Um die Problematik der Acacia negra und der folgenden Bedrohung der lokalen Artenvielfalt entgegenzuwirken, forscht aktuell die Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Buenos Aires (FAUBA) in Zusammenarbeit mit dem Patrimonio Natural del Pilar an Techniken zur Umweltsanierung und Kontrolle der Art Acacia negra.

Dafür wurden in einem Teil der Reserva einige Bäume der Art Acacia negra nummeriert und auf verschiedenen Wegen behandelt. Dabei gibt es vier Gruppen. Bei der ersten Gruppe erhalten die Bäume Ringelungen und um sie herum werden jeweils fünf heimische Pflanzen gepflanzt. Bei der zweiten Gruppe werden die Bäume ebenfalls geringelt, aber es werden keine neuen Pflanzen gepflanzt. Gruppe 3 hat keine Ringelung, aber wieder jeweils fünf heimische Pflanzen und bei der letzten Gruppe wird nichts gemacht. 
Diese Bäume werden jetzt vier Jahre lang beobachtet und jeden Frühling und jeden Herbst werden die Veränderungen notiert. Nach den vier Jahren kann man dann an den Aufzeichnungen erkennen, welche Weise am effizientesten ist.

Das Wissenschaftliche Projekt ist dabei von entscheidender Bedeutung, um weiterhin Modelle aufzubauen, die der Wiederherstellung der lokalen Artenvielfalt dienen und das Tolle ist, dass es sich um ein Projekt der Citizen Science handelt. Das bedeutet, es dürfen sich auch Laien an diesem Projekt beteiligen, was den Vorteil mit sich bringt, dass es genug helfende Hände für die Suche nach effizienten Methoden der Kontrolle der exotischen Pflanzen gibt und zudem auch die Bevölkerung für diese Problematik sensibilisiert wird.
Die Problematik invasiver Arten wie die Acacia negra beschränkt sich jedoch nicht nur auf Argentinien. Weltweit sind Ökosysteme durch solche Pflanzen bedroht. Diese Erkenntnis hat auch die Europäische Union dazu veranlasst, eine Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten zu erlassen. Die Verordnung trat am 1. Januar 2015 in Kraft und damit entstand auch die sogenannte Unionsliste. 

In dieser Liste sind alle invasiven gebietsfremden Arten, sowohl Tiere als auch Pflanzen, verzeichnet. Alle auf dieser Liste verzeichneten Arten dürfen nicht vorsätzlich in EU-Gebiete eingeführt, gehalten, gezüchtet, gehandelt, verwendet, zur Fortpflanzung gebracht oder in die Umwelt freigesetzt werden. Stand 2023 zählt die Unionsliste 41 invasive Pflanzenarten. Darunter zum Beispiel auch der Götterbaum (Ailanthus altísima).
Foto: Helge May auf www.nabu.de
Der Götterbaum hat seine Wurzeln eigentlich in China. Er wurde gegen 1740 als Zierpflanze in Europa eingeführt. Das Problem des Götterbaumes, den man heutzutage viel in Städten wie Berlin findet, ist, dass er sehr schnell wächst und bis zu 30 m hoch wird. Er verbreitet sich rasant, vor allem über Wurzelausläufer und die gute Windverbreitung der Früchte. Ein weiterer Konkurrenzvorteil, den der Götterbaum hat, ist eine hohe Trockentoleranz. Wie bei der Acacia negra kann man hier das Phänomen der Allelopathie beobachten. Die Wurzeln des Götterbaums können das Pflanzengift Ailanthon ausscheiden, welches andere Pflanzen hemmt und unterdrückt. Und nicht nur andere Pflanzen können in seiner Gegenwart nicht gedeihen, auch viele Tiere meiden ihn wegen der Bitterstoffe. Bei Menschen können der Blütenstaub und der Kontakt zur Rinde und Blättern allergische Reaktionen und schlimmstenfalls eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) auslösen.
Die Acacia negra und der Götterbaum sind zwei Beispiele von dem weltweiten Problem der Invasiven Pflanzen. Es gibt aber tatsächlich sehr viele verschiedene Arten und in jedem Land sind es unterschiedliche Arten, die Probleme verursachen.

Die Methoden zur Bekämpfung sind auch hier wieder ähnlich. Jungpflanzen können ausgerissen oder ausgegraben werden. Dabei ist extrem wichtig, dass man die gesamte Wurzel aus der Erde holt. Ausgewachsene Bäume sollten fachkundig gefällt werden. Dies ist oft aber nicht möglich, weil es sehr zeitaufwendig ist, mit hohen Kosten verbunden sein kann und zudem der Natur ebenfalls schaden kann. Darum ist es ratsam, sich primär um die weiblichen samentragenden Bäume zu kümmern. Auch das Ringeln ist eine Methode, die hier zum Teil verwendet wird. 
Foto: Marina Dirksen
Also nochmal zusammengefasst:
Exotische Pflanzen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Die Kategorie der Invasiven exotischen Pflanzen stellt dabei oft ein großes Problem dar. Ein weltweites Problem, denn jedes Land hat mit Invasiven Arten zu tun. Dabei handelt es sich nicht immer um dieselben Pflanzen, denn wo sie an einem Ort exotisch beziehungsweise gebietsfremd sind und häufig ein Problem für Wirtschaft, Menschen und Natur darstellen, sind sie an einem anderen Ort einheimisch und unproblematisch. Der Grund für die Verbreitung von Invasiven Arten liegt überwiegend bei uns Menschen, denn viele Pflanzen wurden gezielt von uns als Zier- oder Nutzpflanzen eingeführt. Andere sind nur aus Versehen durch den globalen Handel verbreitet worden. Erstmal in einem neuen Land angekommen, spielt auch die Natur mit, denn viele Pflanzen haben eine gute Strategie, um sich rasant zu verbreiten und ihre Konkurrenz zu unterdrücken.

Die Probleme dadurch sind weitreichend. Oft verdrängen sie heimische Pflanzen und Tiere und mindern so die Biodiversität. Manche sind gesundheitsgefährdend für den Mensch und einige richten Schaden in der Infrastruktur von Städten und Dörfern an und die Beseitigung und Reparatur der Schäden sind oft mit hohen Kosten und Aufwand verbunden, was der Wirtschaft schadet. Die Methoden zur Bekämpfung sind in den verschiedenen Ländern oft gleich oder zumindest ähnlich und ein sehr wichtiger Punkt ist die Prävention und Aufklärung über die Probleme dieser Arten. Je mehr Menschen darüber aufgeklärt sind und diese Pflanzen nicht einfach wahllos verbreiten, desto geringer ist das Bestandswachstum. Aus diesem Grund führen viele Länder eine Liste mit Invasiven Arten. Die Länder der Europäischen Union setzen auf eine Zusammenarbeit, um gegen das Problem von Invasiven Pflanzen anzugehen und haben zusätzlich zu den ländereigenen Listen eine gemeinsame Liste erstellt. Für alle Arten dieser Liste gelten weitreichende Verbote bezüglich Besitzes, Handel, Zucht, Transport und Verbreitung. Dies soll die Verbreitung von weiteren Invasiven Arten verhindern und bereits vorhandene Bestände minimieren. Zudem finden weltweit in der Wissenschaft Forschungen zu den neuen Methoden der Prävention und Bekämpfung von einzelnen Pflanzen statt.

Aber können auch wir als Privatpersonen etwas dazu beitragen? Die Antwort darauf lautet meiner Meinung nach ganz klar: Ja! Bevor wir uns Pflanzen anschaffen, können wir uns über diese informieren. Aus welchem Land stammen sie? Welche Eigenschaften haben sie? Stehen sie auf der Liste der Invasiven Arten? Wenn sie kein Problem darstellen, ist es meiner Meinung nach in Ordnung welche zu haben. Denn sie können schön sein und auch unsere Umwelt bereichern. Wenn wir im Garten arbeiten, können wir die Augen aufhalten, die Natur bewusst wahrnehmen und wenn uns dann invasive Pflanzen auffallen, diese gegebenenfalls bei Möglichkeit entfernen. Dabei sollte man beachten, die Pflanzen mit der gesamten Wurzel zu entfernen und die Blüten- und Fruchtbestände nicht einfach irgendwo zu entsorgen, zum Beispiel auf einem Komposthaufen. Denn das kann die Situation sogar noch verschlimmern. Mein Tipp, die ganze Pflanze samt Wurzel entfernen und in der Sonne vertrocknen lassen und dann einheimische Pflanzen pflanzen. Denn einheimische Pflanzen helfen dann nicht nur unserer Flora, sondern auch unserer Fauna, weil sie Nahrung für zum Beispiel ganz viele schöne Schmetterlinge sind. Jeder, der hilft und sich mit dem Thema befasst, kann dazu beitragen, unsere Natur zu schützen und unsere Biodiversität zu fördern.
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