Klimawandel und El Niño in Bolivien - Die Möglichkeiten von Agroforstsystemen für Kleinbauern in Bolivien

28.04.2025 - Lena Öchsner
„Jedes Jahr des letzten Jahrzehnts gehörte zu den zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.“ Dies sagte Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus-Klimawandeldienstes. Im Hinblick darauf, dass das Jahr 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war und die weltweite Durchschnittstemperatur über 1,5 Grad Celsius lag, trotz der Ziele des Pariser Klimaabkommens, steigt unter anderem die Meeresoberflächentemperatur und es kommt zu mehr und mehr Wetterextremen, darunter starke Regenfälle und Dürren.

Auch bolivianische Kleinbauern, die durch ihre landwirtschaftliche Produktion sehr von klimatischen Bedingungen abhängig sind, spüren bereits heute die Auswirkungen des Klimawandels. Welche Möglichkeiten können die Agroforstwirtschaft und im Besonderen der dynamische Agroforst bieten, um sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen? Damit habe ich mich während meines Freiwilligendienstes im bolivianischen Hochland ausführlich beschäftigt.
Foto: Lena Öchsner
In der Erdgeschichte gab es bereits unzählige Klimaumschwünge. Die Ursachen dafür sind zahlreich, es fallen natürliche Faktoren wie die Sonnenaktivität darunter. Für den Klimawandel heute sind aber andere Gründe viel ausschlaggebender, beispielsweise haben die Abholzung der Wälder oder die Verbrennung fossiler Brennstoffe weitreichende Folgen. Der Hauptgrund ist der Treibhauseffekt durch den exzessiven Ausstoß von Treibhausgasen, die dazu führen, dass sich die Atmosphäre immer weiter aufheizt. Dadurch werden die Häufigkeit, Stärke und Dauer von Wetterextremen zunehmen und damit den vulnerablen Sektor der Agrarwirtschaft besonders betreffen. Dies führt zu weniger Erträgen in der Landwirtschaft durch Hitze und Wasserverlust bis zu steigenden Todesraten durch Nahrungs- und Wassermangel und das Entstehen von Krankheiten und Migration durch Armut.
„Die Klimakrise versetzt Natur und Menschen im Amazonas in eine denkbar schlechte Ausgangslage“, so Roberto Maldonado, Bereichsleiter Lateinamerika beim WWF Deutschland. „Nun verstärkt El Niño die Effekte der Klimakrise und umgekehrt!“

El Niño und La Niña sind beides Wetterphänomene, welche in regelmäßigen Abständen auftreten und fast auf der ganzen Welt extreme Wetterereignisse begünstigen. Die Wetterphänomene entstehen durch Druckunterschiede in den Passatwinden, die nach Westen über den Pazifik wehen. 
Warmes Oberflächenwasser steigt an der Küste Australiens und Südostasiens nach oben, während kaltes Wasser vor der Küste Südamerikas an die Oberfläche kommt. Bei El Niño schwächen diese Passatwinde ab, der Luftdruck verringert sich und das warme Wasser wird zurück nach Südamerika getrieben. Meer und Luft erwärmen sich und bilden ein Tiefdruckgebiet, das den Luftkreislauf über dem Äquator verändert. Die Folgen sind zahlreiche Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche an der Pazifikküste Süd- und Mittelamerikas. 

In Australien, Südostasien und Teilen Südamerikas kommt es zu extremer Trockenheit. Betroffene Regionen haben mit Dürren, Starkregenfällen und daraus resultierenden Krankheiten, Zerstörung der Infrastruktur und Ernteausfällen zu kämpfen.
Foto: Lena Öchsner
Bolivien ist, da es am Äquator liegt, noch mehr von klimatischen Extremen betroffen. 20 Prozent der tropischen Gletscher befinden sich hier, zudem sind zwei Drittel der Landfläche vom Regenwald bedeckt. Gletscherschmelzen, Waldbrände und die Abholzung des Regenwaldes, um beispielsweise den Sojaanbau zu fördern, haben somit katastrophale Auswirkungen auf das Land.
Foto: Lena Öchsner
Kleinbauern, die hauptsächlich der indigenen Bevölkerung angehören und in comunidades Land- und Viehwirtschaft betreiben, sind gezwungen von ihren traditionellen und nachhaltigen Praktiken abzuweichen, um überleben zu können. Doch muss das wirklich sein? 

"Nein", sagt Noemi Stadler-Kaulich, Gründerin  und Leiterin der Forschungsfarm Mollesnejta, in der ich meinen Freiwilligendient geleistet habe. Mit der Methode Agroforst, die im Gegensatz zu den den Boden auslaugenden Monokulturen dafür steht, die Produktion mit mehrjährigen Bäumen und Sträuchern zu verbinden und eine resiliente und anpassungsfähige Landwirtschaft zu fördern. Viele indigene Völker benutzen die Anbaumethode des Agroforstes bereits, vor allem die dynamische Form, die sich durch Schnitt, Dichte der Bepflanzung und Vielfalt auszeichnet, wobei ein natürliches Pflanzensystem imitiert wird. 
Agroforstwirtschaft stellt damit eine nachhaltige Alternative zur konventionellen Landwirtschaft dar. Vorteile beinhalten die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, erhöhte Nährstoffverfügbarkeit, Schutz vor Bodenerosion durch Wind und Regen, Entstehung von Wasserreservoirs, weniger Bewässerungsaufwand und die neuen vielseitigen Habitate für heimische Flora und Fauna mit erhöhter Biodiversität. Ein Agroforst fungiert außerdem als CO2-Speicher.

Trotz der Auswirkungen des Klimawandels und verstärkter El Niño Wetterphänomene, die besonders Menschen in ländlichen Gebieten und die indigene Bevölkerung im trockenen Hochland mit oft steinigen Böden beeinflussen, bietet Agroforstwirtschaft durch seine zahlreichen Vorteile einen Ansatz, gegen die zunehmende Auslaugung der Böden und Bodenerosion vorzugehen und die Erträge der Kleinbauern im Hochland zu erhöhen.
Foto: Lena Öchsner
Um die Agroforstwirtschaft großflächig umzusetzen, braucht es jedoch mehr Förderung durch Politik und Organisationen, um das Wissen und das Verständnis für die Umwelt an die Kleinbauern weiterzugeben und somit deren Lebensgrundlage in sich verändernden Zeiten sicher zu stellen.
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