Detail_Casita_de_Barro_2023_03

Wurmkompost und hausgemachte Tortillas: Mein Umweltbildungsprojekt in einer mexikanischen Dorfschule

29.03.2023 - Sandy Jotzer
Mittlerweile sind einige Monate vergangen und ich konnte einen Einblick in die verschiedenen Projekte meiner Einsatzstelle gewinnen und auch mit der Umsetzung meines eigenen, kleinen Umweltbildungsprojektes in der Schule beginnen. Da bei uns auf der Arbeit immer sehr viel los ist, wird mir auf jeden Fall nicht langweilig. 

Seit Januar kommen jeden Tag neue Studierende zum Helfen zu uns auf die Arbeit, die ihren vom Studium vorgeschriebenen Sozialen Dienst bei uns absolvieren. Gemeinsam mit ihnen pflege ich die Beete und Pflanzen, stelle Düngemittel her, arbeite in der Biokonstruktion, oder grabe und bereite Löcher für die Pflanzung eines „bosque comestible“, sprich für die Pflanzung von Obstbäumen, vor.
In Casita de Barro bekommen wir auch wieder regelmäßig Besuch von anderen (Schul-)Gruppen, denen wir eine Führung über das Gelände geben oder kleine Workshops zu Themen wie zum Beispiel dem medizinalen Nutzen von verschiedenen Kräutern oder die Erhaltung eines nahrhaften Bodens mit lokalen Naturschätzen (Kuhmiste, Asche, Mikroorganismen, gemahlener Stein, …). Das Ziel ist es, den Kindern und auch ihren Eltern zu zeigen, dass die Natur uns eine Menge Sachen schenkt, die wir nutzen können, ohne die Erde dabei ausbeuten und kontaminieren zu müssen. Wenn wir den Kreislauf der Natur nutzen, können wir sowohl die Erde als auch uns gesund erhalten. 
Neben der alltäglichen Arbeit setzte ich seit Anfang Februar außerdem zusammen mit drei der Studentinnen, die zu uns zum Arbeiten kommen, mein eigenes kleines Projekt um. 

Einmal pro Woche haben wir die Möglichkeit, mit den Kindern aus den zwei Klassen der vierten Stufe zu dem Thema Umweltbildung zu arbeiten. Hier kann ich das Wissen, dass ich in den letzten Monaten in meiner Einsatzstelle Casita de Barro erworben habe, auch gleich an die Kinder weitergeben. Und das vor allem mit vielen praktischen Übungen und Tätigkeiten. 

Das Projekt besteht aus 10 Unterrichtseinheiten an der Grundschule des Dorfes und ist sozusagen eine Vertiefung des Programmes, das die Lehramts-Studierenden Ende letzten Jahres umgesetzt hatten. 

In unserer ersten Stunde am 1. Februar hatten uns die Kinder Gegenstände, Pflanzen, Früchte oder Getreide mitgebracht, die aus ihrem Heimatdorf stammen. Wir hatten ihnen vorher die Aufgabe gestellt, uns etwas mitzubringen, das aus Tecuanipan stammt, oder das Dorf repräsentiert. Damit wollten wir uns zusammen mit den Kindern mit ihrer Heimat auseinandersetzen und entdecken, welche Ressourcen Tecuanipan zu bieten hat. Leider wird es hier nach wie vor als arm angesehen, auf dem Land zu wohnen und als Landwirt zu arbeiten. 
Foto: Sandy Jotzer
Ein Ziel des Projektes ist es, in den Kindern das Bewusstsein zu schaffen, das so viel Natur um sie herum und die Möglichkeit so viele verschiedene Nahrungsmittel kultivieren zu können, Reichtum und nicht Armut bedeutet. Und dass es viele verschiedene nachhaltige Wege gibt, um Landwirtschaft zu betreiben, ohne die Verwendung von schädlichen Chemikalien und der Zerstörung der Natur. Außerdem setzen wir uns zusammen mit den Kindern mit ihren Wurzeln auseinander, um sie wieder mit ihrem Land und ihrer Herkunft zu verbinden.
Foto: Sandy Jotzer
In unserer zweiten Sitzung mit den Kindern haben wir einen Tagesausflug auf einen nahegelegenen Hügel gemacht. Wir hatten auch die Eltern zu diesem Ausflug eingeladen und wir waren sehr glücklich, dass uns neun Mütter und ein Vater begleitet haben. Auf dem Hügel wird seit zwei Jahren ein von den Dorfbewohner*innen initiiertes Aufforstungsprojekt umgesetzt. Die Gruppe, die das Projekt umsetzt, nennt sich "Sembrando Esperanza" („Hoffnung säen“). Der Vater, der uns begleitete, war einer der Gründer der Gruppe, weshalb es umso wertvoller war, dass er anwesend war und den Kindern und Müttern oben auf dem Hügel von dem Projekt berichten konnte. Auf dem Weg zum Hügel hatten wir verschiedene Stopps eingelegt, in denen Susy, meine (leider) ehemalige Arbeitskollegin, mit den Kindern zusammen über gegenwärtige Umweltprobleme und die Bedeutung der Bäume, Ökosysteme und Artenvielfalt geredet hat. Auf dem Hügel konnten die Kinder außerdem einige Agaven pflanzen. Insgesamt war es ein sehr schöner und gelungener Ausflug und auch die Kinder und die beiden Lehrerinnen der Klassen zeigten sich glücklich nach dem Tag. 

In der anschließenden Stunde hatten wir zwei Großeltern der Kinder zu Besuch in der Schule, die uns erzählt haben, wie Tecuanipan früher ausgesehen hat, wie ihre Kindheit in dem Dorf war, was sich alles verändert hat, aber auch, wie sie früher Landwirtschaft betrieben haben, ohne technische Hilfsmittel und Chemikalien. Außerdem haben wir den Wandel der Landwirtschaft behandelt und die Konsequenzen eines Anbaus in Monokulturen. 
In unserer vierten Stunde haben wir zu Beginn ein kleines Experiment gemacht: wir haben Lebensmittelfarbe in ein Glas mit Wasser gefüllt und in diese eine Blume mit weißen Blüten gestellt. Nach einiger Zeit konnten die Kinder beobachten, wie die Blütenblätter langsam die Farbe der Lebensmittelfarbe annahmen, die sie über das Wasser mit aufgenommen hatten. Mit diesem Experiment wollten wir den Kindern verdeutlichen, dass alles, was wir der Erde hinzufügen, von der Pflanze aufgenommen wird und damit beim Konsum letztlich auch von uns oder von den Tieren. Und dass die Pflanzen sowohl die Chemikalien so über den Boden aufnehmen, aber auch die Nährstoffe, die wir zum Boden hinzugeben und die sie zum Leben und wachsen brauchen. Außerdem ging es in der Stunde um die Bedeutung einer gesunden Ernährung auf der Basis von Getreide, Obst und Gemüse und auch um den Schaden, den Verpackungen von verarbeiteten Lebensmitteln in der Umwelt anrichten.
Foto: Sandy Jotzer
Um an dem in der letzten Stunde Gelernten anzuknüpfen, wollten wir den Kindern in der fünften Stunde eine Alternative zu den künstlichen und umweltschädigenden Düngemitteln vorstellen: In dieser Stunde haben wir einen kleinen Workshop zum Thema Wurmkompost gegeben und mit den Kindern und einigen Eltern auch gleich einen Wurmkompost in der Schule gebaut. Jetzt haben die Kinder ihren eigenen Kompost in der Schule, um den sie sich kümmern können. Und der hoffentlich auch dazu anregt, mehr Obst und Gemüse zu konsumieren, damit der Kompost gefüllt werden kann und die Würmer reichlich zu essen bekommen. In der Zukunft wollen wir in der Schule auch noch kleine Beete bauen, damit sie die Erde des Kompostes für den Anbau von eigenem Gemüse oder Kräutern verwenden können.

Vor einer Woche haben wir auch mit den Kindern der vierten Klasse wieder die Kooperation SanJe besucht. Rosalba hat den Kindern ihren Biodigestor erklärt und Armando und Ina haben darüber informiert, was eine Kooperation ist, was sie ausmacht, und warum es wichtig ist, lokal zu konsumieren.
Foto: Sandy Jotzer
Diese Woche, in der siebten Stunde, die wir mit den Kindern hatten, ging es ebenfalls um lokalen Konsum, um die Bewahrung von Tradition und einer gesunden und nahrhaften Ernährung. 

Wir hatten unter den Müttern gefragt, ob es Mütter gibt, die Lust haben, den Kindern traditionelle Rezepte vorzustellen und für eine kleine Verkostung auch etwas Kleines zu kochen. Es haben sich tatsächlich sechs Mütter gefunden, die uns an jenem Tag stolz ihre Rezepte präsentiert haben. Sie haben hausgemachte Tortillas und Frijoles (Bohnen) mitgebracht, Atole aus Mais und Amarant, Tlacoyos und als Nachtisch „Alegrías de Amaranto“. In San Jerónimo Tecuanipan werden Bohnen angebaut, die ein kleiner Stolz des Dorfes sind. Tlakoyos sind ein prähispanisches mexikanisches Gericht. Es handelt sich um ovale, etwas dickere Tortillas aus Maismehl, optional mit Bohnen gefüllt, die mit Toppings wie Nopal, Zwiebeln, Käse, Fleisch und Salsa belegt werden. Atole ist ein prähispanisches, warmes und energiereiches Getränk, das ursprünglich Wasser, Maismehl, Milch und Gewürzen nach Belieben zubereitet wurde. Es kann aber auch aus anderen Getreidesorten hergestellt werden, zum Beispiel aus Amarant. „Alegrías de Amaranto“ (Alegría = Freude) sind mexikanische Riegel aus Amarant, Honig, Nüssen und Rosinen. Die Mütter und eines der Mädchen haben uns von dem Prozess der Herstellung der Gerichte berichtet, von dem Anbau der Pflanzen bis hin zu ihrer Verarbeitung. Basierend auf dieser Stunde wollen wir mit den Kindern noch ein kleines Rezeptbuch mit nahrhaften, traditionellen und lokalen Rezepten erstellen. 
In der nächsten Sitzung steht endlich der Besuch meiner Einsatzstelle an, auf den die Kinder schon lange hin fiebern. Wir haben unter anderem geplant, mit den Kindern einen Rundgang über das Gelände von Casita de Barro zu machen, den medizinalen Nutzen von Kräutern zu behandeln und eine Tinktur aus den Kräutern des Gartens herzustellen und auch einen kleinen Einblick in die Herstellung von natürlichen Düngemitteln zu geben. 

Ich bin insgesamt sehr zufrieden, wie das Projekt bisher läuft und wie gut es von den Kindern, und vor allem auch von den Klassenlehrerinnen der beiden vierten Klassen angenommen wird. Die beiden Lehrerinnen unterstützen uns in der Organisation, zeigen Initiative und Begeisterung, was ein wichtiger Bestandteil für den Erfolg des Projektes ist. 

Mir bleiben jetzt noch etwas mehr als vier Monate hier in Mexiko und in der nächsten Woche kommen mich zwei Freunde aus Deutschland besuchen, mit denen Mexiko ein wenig weiter erkunden werde. Ich bin sehr dankbar dafür, hier zu sein und diese Erfahrungen in diesem schönen Land und auch in meiner Einsatzstelle „Casita de Barro“ machen zu dürfen und bin gespannt auf die noch bevorstehenden Erlebnisse in den verbleibenden Monaten.

Vielen Dank für das Lesen und bis zum nächsten Bericht!

Liebe Grüße, Sandy
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