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Mein Start in 2020: ein Besuch in Georgien, ein Geburtstag im Schnee - und viele neue und spannende Aufgaben

Yerevan, Januar 2020 - Inken Wilms
Neues Jahr, neues Glück sagt man ja so schön. Ich würde mir eher ein neues Jahr mit altem Glück wünschen, da das letzte Jahr in jeder Hinsicht einfach toll war. Ein großer Teil davon war definitiv die Entscheidung, nach Armenien zu gehen und somit die Chance zu haben, in eine komplett andere Kultur einzutauchen, eine neue Sprache zu lernen und für ein Jahr einfach ein ganz anderes und neues Leben zu haben. 
Dabei hat das neue Jahr hier gar nicht so viel anders gestartet, als ich es aus Deutschland gewohnt bin – traditionell mit einem großen Feuerwerk, viel Musik, einem gemeinsamen Countdown und anschließend der minutenlangen Verteilung von Umarmungen und Neujahrsglückwünschen an Freunde und Fremde, wer eben so um einen herumsteht. Zusammen mit meinen Freunden und Mitbewohnern habe ich das neue Jahr auf dem Platz der Republik, dem zentralen und größten Platz in Yerevan begrüßt. Danach ging es gefühlt für alle in eine der zahlreichen Kneipen und Bars in Yerevan und es wurde bis in den Morgen gefeiert. Obwohl Armenien ein extrem christliches Land ist , ist Silvester bzw. Neujahr hier ein größeres Fest als Weihnachten an sich. Diese Tradition stammt noch aus der Zeit, als Armenien Teil der Sovietunion war und Religion an Bedeutung verlor. 
Fotos (auf dieser Seite): Inken Wilms
Das armenische Weihnachten verbringt man traditionell zuhause mit seiner engsten Familie und extrem viel Essen. Die Tage zwischen Neujahr und dem 6. Januar sind ebenfalls arbeitsfreie Tage und werden mit der erweiterten Familie sowie Freunden und Nachbarn verbracht. Da für jeden dieser Tage ein eigenes Festmahl vorbereitet wird und man eigentlich den ganzen Tag über nur isst, sieht man in dieser Zeit eigentlich niemanden auf den Straßen, Läden haben größtenteils auch geschlossen und im Großen und Ganzen könnte man meinen, die Stadt wäre auf einmal ausgestorben. 

Da wir trotz der unglaublich großen Herzlichkeit und Gastfreundschaft leider nicht zu einer Feier eingeladen wurden, wie es uns noch am Anfang des Jahres prophezeit wurde, und uns auch keine sechs Tage im Wohnheim langweilen wollten, habe ich mit ein paar Mitfreiwilligen sehr spontan beschlossen, für ein paar Tage nach Georgien, ein Nachbarland Armeniens, zu fahren. Einen Plan, wie lange wir bleiben oder wo wir schlafen würden, hatten wir nicht – aber wer braucht so etwas schon in einem Land, wo Spontanität ganz groß geschrieben und Pläne sowieso in letzter Minute noch geändert werden? Armenier und Georgier sind sich in diesem Punkt sehr einig. So kam es dazu, dass wir am 2. Januar morgens an einer Autobahnauffahrt standen, den Daumen rausstreckten und den ganzen Weg von Yerevan nach Tbilisi (Tiflis) trampten und pünktlich zum Abendessen dort ankamen (270 Kilometer mit einer Grenzüberquerung). 
Obwohl durch die Feiertage wirklich kaum jemand unterwegs war und die Mitfahrmöglichkeiten somit sehr eingeschränkt waren, haben wir nie länger als 5 Minuten gewartet, bis uns jemand mitgenommen hat. 

Dies ist eine weitere großartige Sache an Armenien, das Trampen. In Deutschland habe ich in meinem ganzen Leben bisher zweimal Tramper gesehen, hier ist es unsere Standardmöglichkeit geworden, überall hinzukommen, wo wir möchten und es klappt auch immer problemlos. Über den Hin- und Rückweg aus Georgien mussten wir uns somit keine Gedanken machen und verbrachten drei sehr schöne Tage in Tbilisi. 
Diese Stadt ist ganz anders als Yerevan, eine wunderschöne Mischung aus alten Stadtkernen und modernen Neubauten. Sowohl architektonisch als auch von der Mentalität der Einheimischen her ist Tbilisi ganz anders als Yerevan und deutlich westlicher orientiert. 

Drei Tage waren jedoch bei Weitem nicht genug, um sich alles in Ruhe anzuschauen und deshalb sind wir fest davon überzeugt, bald nochmal mit mehr Zeit dorthin zurückzukehren. Dank der Bereitschaft der Armenier, Tramper überall hin mitzunehmen, ist eine Reise dorthin nicht nur sehr kostengünstig, sondern bedarf auch - wie wir es erfahren haben - nur wenig Vorbereitung und Planung. 
Zurück in Yerevan und im Wohnheim – das uns allen nach so kurzer Zeit dennoch schon ein bisschen gefehlt hat – verbrachten wir dann die restlichen Ferientage damit, unser Armenisch nochmal ein bisschen aufzufrischen, einen verfrühten Frühjahrsputz zu veranstalten und uns seelisch auf den ersten Tag vorzubereiten – nach fast drei Wochen Urlaub war das wirklich etwas hart. 

Trotz allem habe ich mich sehr darauf gefreut, zu meiner Arbeit zurückzukehren und meine Kollegen wiederzusehen. Während der “Neujahrsansprache” von meinem Chef wurden dann auch direkt einige der Projekte für das kommende Jahr vorgestellt. Dazu zählen unter anderem die Aufnahme von einer chinesischen und einer französischen Freiwilligengruppe im Sommer, die jeweils für zwei Wochen nach Armenien kommen und in dieser Zeit in meinem Projekt mitarbeiten werden. Da Freiwillige anscheinend tief in ihren Gedanken miteinander verbunden sind, wurde ich zur Ansprechperson für die beiden Gruppen gemacht und bin somit jetzt und in der Zeit ihres Aufenthalts in Armenien Ansprechperson. Gleich am ersten Tag mit so einer großen und wichtigen Aufgabe betraut zu werden, hätte ich niemals erwartet und obwohl somit echt einiges an Arbeit auf mich zukommt und ich sehr viel Verantwortung habe, bin ich wirklich sehr glücklich, dass meine Kollegen mir ein solches Vertrauen entgegen bringen und mir eine so besondere Aufgabe übergeben. 

Somit arbeite ich momentan daran, ein Programm für beide Gruppen aufzustellen und zu schauen, inwiefern sie bei Workshops mit Kindern mithelfen können. Zu Beginn des Jahres wurde nämlich ein Lehrbuch von der Amerikanischen Universität in Armenien veröffentlicht, das einen genauen Lehrplan für Umweltbildung in Verbindung mit Grundlagen der englischen Sprache beinhaltet. Kindern werden mithilfe dieses Handbuches überwiegend spielerisch ökologische Begriffe auf Englisch sowie Grundkenntnisse der englischen Grammatik, aber auch Maßnahmen zum Umweltschutz beigebracht. Da das Handbuch und alle zugehörigen Materialien auf Englisch verfasst sind, können sie auch von Lehrpersonen, die kein Armenisch sprechen, genutzt werden. Es ist somit eine großartige Möglichkeit für die beiden Freiwilligengruppen, einige Unterrichtsstunden bzw. Workshops mithilfe dieses Buches durchzuführen. Es wurde mir aber auch schon angeboten, zu einigen Schulen zu fahren und dort ein paar Stunden mit den Materialien des Buches abzuhalten. Das wäre eine großartige Möglichkeit und ich würde mich sehr freuen, endlich auch aktiv bei der Gestaltung einiger Unterrichtsstunden dabei zu sein.

Neben der Vorbereitung für die beiden Freiwilligengruppen arbeite ich weiterhin an der Erstellung verschiedener Plakate und Infomaterialien und helfe bei der Vorbereitung für anstehende Workshops mit, hauptsächlich denke ich mir Eisbrecher und Warm-ups aus und soll diese dann auch bei den Workshops durchführen. Ich weiß zwar noch nicht genau, wann der nächste ansteht, freue mich aber wirklich sehr darauf. Worauf ich mich vor allem auch noch freue, ist auf den Frühling und etwas wärmeres Wetter, denn dann beginnen wieder die Pflanzungen und ich habe die Chance, wieder an verschiedene Orte zu fahren, Bäume zu pflanzen und gleichzeitig Armenien kennen zu lernen. 
Wir sind zwar inzwischen bereits seit fünf Monaten hier und auch schon gut rumgekommen, aber dennoch habe ich das Gefühl, noch so viele Orte nicht gesehen und nur einen Bruchteil der Kultur und Traditionen erlebt zu haben. Einen Ort, den ich nun jedoch von meiner to-do-Liste streichen kann, ist Tsaghkadzor, eine Kleinstadt mit einem angrenzenden Skigebiet ca. eine Stunde außerhalb von Yerevan. Dieses Skigebiet ist das größte in ganz Armenien und wurde uns von verschiedenen Einheimischen aber auch vorherigen Freiwilligen empfohlen. Mit drei weiteren Freunden machte ich mich somit auf und verbrachte nicht nur meinen Geburtstag sondern noch ein paar weitere sehr schöne Tage auf der Piste. Da ich zuvor erst einmal Ski gefahren bin, habe ich keinen wirklichen Vergleich, für mich wirkte das Gebiet jedoch vergleichsweise groß mit mehreren verschiedenen Pisten und Liften. 
Das absolute Highlight für uns war der Tag, an dem wir an den höchsten Punkt der Piste und somit auf den höchsten Gipfel der umliegenden Berge fuhren und dort über den Wolken eine traumhafte Aussicht genießen konnten. Bei strahlendem Sonnenschein konnte man die schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge sehen, dank einer komplett klaren Sicht aber sogar bis zum Ararat, dem Wahrzeichen Armeniens. 

Wenn man nach Bildern von Yerevan im Internet sucht, dann werden 50% wahrscheinlich ein Panoramabild der Stadt sein mit einer komplett klaren Sicht auf den Ararat, der über der Stadt zu thronen scheint. Im wahren Leben hat man diese Sicht leider nur selten und deshalb ist es für uns immer ein absolutes Highlight, den Ararat nicht nur verschwommen durch einen dicken Nebelschleier sondern sonnenbeschienen und mit klaren Konturen zu sehen. Das ist der Moment, in dem ich mir immer denke "Wow, Armenien ist wirklich ein wunderschönes Land."
Ich bin weiterhin sehr glücklich hier zu sein und all die schönen Seiten dieses Landes zu entdecken. Natürlich gibt es auch einige unschöne Dinge, die ich in meinem Blog kaum erwähne und man könnte meinen, ich möchte nur die guten Seiten dieses Landes darstellen. Aber alles was ich schreibe, entspricht meiner Wahrnehmung und hierbei rücken die weniger guten Dinge einfach in den Hintergrund.

Ich bin auf jeden Fall sehr froh, bisher vor allem die guten Sachen zu spüren und zu sehen bekommen zu haben und wünsche mir, dass es in diesem Jahr ebenfalls so bleibt.
Bis dahin schicke ich viele liebe Grüße aus Armenien und arrayzhm!

Inken Wilms
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