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Die Rückkehr der großen Fünf und die Bedeutung des Rewilding im Naturschutz

30.09.2020 - PIENSA!-Stiftung
"Die Rückkehr der großen Fünf", unter diesem Titel findet am 2. Oktober 2020 im Deutsch-Polnischen Umweltbildungs- und Begegnungszentrum Schloss Criewen eine vielbeachtete Tagung statt. 

Neben Vertretern der großen deutschen Naturschutzorganisationen (BUND, NABU und WWF) sind auch internationale Gäste dabei. Maciej Tracz von der Europäischen Wisentstation Märkisch Friedland in Mirosłąwiec, Polen, berichtet über die "Grenzgänger" in Westpommern, die längst auch eine Heimat westlich der Oder gefunden haben. Und Kaja Heising von der Wisent Welt Wittgenstein in Bad Berleburg wird über die in Hessen gemachten Erfahrungen bei der Wiederansiedlung des Wisents berichten.
Bild von Free-Photos auf Pixabay
Zu den "europäischen Big Five" zählen neben dem Wisent und dem Elch auch der Luchs, der Wolf und der Bär. Während Luchs und Wolf scheinbar unaufhaltsam wieder ihre alte Heimat besiedeln, hat es der Braunbär ungleich schwerer. Prof. Dr. Andreas Zedrosser von der Universität Oslo wird bei der Tagung in der Brandenburgischen Akademie Schloss Criewen über diesen "unbequemen Heimkehrer" sprechen.
Foto: Michael Larosa auf Unsplash.com
Deutschland ist ein Einwanderungsland, ob man es wahr haben will oder nicht. Inseln mag das umgebende Meer einen gewissen Schutz bieten, wenn man bei der Migration überhaupt von Schutz sprechen sollte. Deutschland wird ganz überwiegend durch Landgrenzen von seinen Nachbarn getrennt. Über diese zum Glück oftmals auch grünen Grenzen kommen nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen und Tiere. Über die Oder-Neiße-Grenze im Osten wandern schon seit einigen Jahren verstärkt die bereits genannten großen Säugetiere ein, die in Deutschland noch im Altertum, östlich der Elbe auch noch bis in das Mittelalter zu Hause waren. Sie wurden nach und nach gejagt, verdrängt und schließlich vollständig ausgerottet.
Auch der Wolf gehört dazu. Seine Rückkehr nach Deutschland gehört zu den großen Erfolgen im Naturschutz. Aber natürlich wird auch viel über die Rückkehr der Wölfe in unsere Kulturlandschaft diskutiert. 

Anders als die Menschen in Rumänien oder Bosnien haben die Deutschen das Zusammenleben mit den großen Fünf verlernt. Die Bereitschaft zurückzustecken, Platz zu gewähren, Nachteile in Kauf zu nehmen, Gleichberechtigung zuzulassen, ist hier zu Lande eher gering ausgeprägt. Mit einem speziellen Wildtiermanagement versuchen die Behörden das Zusammenleben der großen tierischen Einwanderer und der Menschen vor Ort zu erleichtern, in großen Städten ist die Sympathie dafür groß, im ländlichen Raum eher gering. Da ist noch viel Überzeugungsarbeit und vor allem im Schadensfalle eine bessere finanzielle Entschädigung erforderlich. 

Aber entscheidend ist nicht nur das Wildtiermanagement und eine gut organisierte Verwaltung, die die unvermeidlichen Schäden in jedem Einzelfall bewertet und für einen finanziellen Ausgleich sorgt. Entscheidend wird sein, ob die Menschen in den ländlichen Regionen bereit sein werden, wieder mit einem Stück wilder Natur zusammenzuleben. Die Wiederherstellung dieser Bereitschaft kann nur in einem Prozess gelingen, der alle Betroffenen mit einschließt. Dabei muss gerade auch der jungen Generation eine Perspektive gegeben werden, wie wilde Natur und Einkommenserwerb zusammen gehen. In einigen sehr dünn besiedelten Landschaften sollte allerdings auch geprüft werden, ob der Natur nicht der Vorrang gegenüber der wirtschaftlichen Nutzung gegeben werden kann.
Vor einigen Wochen haben wir bereits auf den interessanten Podcast zum Thema Rewilding auf detector.fm aufmerksam gemacht. In diesem wird das Thema nicht einfach nur verklärt, sondern auch auf Probleme mit diesem Ansatz hingewiesen. 

Stefan Schwill vom NABU erläutert, dass die Zielsetzung, Natur Natur sein zu lassen, bei uns in Deutschland nach wir vor nicht wirklich etabliert ist. Dabei soll mit Rewilding in bestimmten Gebieten wieder eine natürliche Ordnung hergestellt werden. Der Unterschied zu anderen Renaturierungsansätzen ist, dass ab einem gewissen Punkt gar nicht mehr eingegriffen wird. Die Natur soll sich aus sich selbst heraus stabilisieren. Der Naturjournalist Ralf Stork entgegnet, dass der Mensch sich im Land so breit gemacht hat, dass es letztlich gar nicht mehr so viel Platz für Rewildinggebiete gibt.
Foto: Jo Oerter
Aus diesem Grund sind die von der Initiative Rewilding Europe betreuten acht Gebiete, in denen Europa noch wild ist bzw. wieder wild werden kann nicht nur wertvolle Schätze, auf die wir gemeinsam aufpassen sollten. Es müssen auch gut kontrollierte und gut geschützte Regionen sein, in denen im Zweifel der Mensch hinter die Entwicklung eines natürlichen Gleichgewichts zurücktreten muss. Wir verfolgen das "Experiment Rewilding" weiter. Und wir freuen uns darüber, dass die großen Fünf auch bei uns wieder eine Chance haben.
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