Detail_Ölkatastrophe Mauritius

Mauritius: Rettungsaktion auf der 'Ile aux Aigrettes' ist abgeschlossen - aber die Zukunft bleibt ungewiss

30.08.2020 - PIENSA!-Stiftung und Jennifer Harres
Die Ölkatastrophe von Mauritus wird Folgen haben: für die Natur mit vielen endemischen Pflanzen und Tieren, den Korallenriffen und Mangrovenwäldern und natürlich auch für die Menschen, die als Fischer oder als Führer von Touristen von der fantastischen Natur in Mauritius leben. 

Am 14. August 2020, drei Tage nachdem die PIENSA!-Stiftung auf die Öl-Katastrophe in Mauritius aufmerksam machte, hat die unabhängige NGO 'The Mauritian Wildlife Foundation' (MWF) mit folgendem Statement auf die schwierige Lage und die anstehenden Herausforderungen hingewiesen: 

"We are not specialists in how to clean up after an oil spill and we are on a learning curve. We have communicated the hazardous nature of these petroleum products and that anyone involved needs to have proper and appropriate PPE (Personell Protective Equipment). We also said that the threat of a further spill needs to be removed and the bulk of the oil needs to be removed from the surface of the sea before a clean up of the shore line takes place."  
Bildquelle: www.mauritian-wildlife.org
Wie ist der Stand heute? Was wurde geschafft? Wie werden die Spenden eingesetzt, welche die PIENSA!-Stiftung gemeinsam mit Jennifer Harres, einer jungen Wiesbadenerin, gesammelt hat?

Doch bevor wir zu den Informationen kommen, die uns MWF hat zukommen lassen möchten wir ganz herzlich allen danken, die unseren Spendenaufruf unterstützt haben. Die Unterstützung wirkt gleich mehrfach. Zum einen, weil mit den Spenden, die wir an MWF weitergeben, ein Betrag zum Schutz bzw. zur Wiederherstellung der unvergleichlichen Natur in Mauritius geleistet werden kann. Zum anderen ist die Unterstützung auch ein Symbol der Anerkennung der Leistung der Naturschutzorganisationen vor Ort, die unmittelbar nach der Katastrophe sofort aktiv wurden, um noch Schlimmeres zu verhindern. 
Foto: Nik Cole, Mauritian Wildlife Foundation
Zum einen war es die "Erst-Hilfe", über die wir alle in den Medien gelesen und Bilder gesehen haben. Lange bevor die staatlichen Stellen in Mauritius sowie Länder wie Frankreich oder Japan aktiv wurden, haben private Organisationen wie MWF die große Zahl an Freiwilligen koordiniert und ihre Schiffe für das Ausbringen von selbst gebauten Ölsperren sowie das Abpumpen des Öls von der Meeresoberfläche ausgerüstet und bereitgestellt. MWF hat über diese "Not-Maßnahmen" am 7. August in den News auf der Website informiert.

Als sich abzeichnete, dass immer mehr Öl aus dem Frachtschiff austrat und eine Kontamination des nur 2 Kilometer entfernten und von MWF betreuten Naturschutzgebiet 'Ile aux Aigrettes' nicht verhindert werden kann, wurde eine Evakuierung von seltenen Pflanzen und den am meisten gefährdeten Tieren eingeleitet.

Dr. Vikash Tatayah, der Direktor für Naturschutz der MWF, erläutert hierzu: "Wir hatten einen 3-Stufen- Plan, da wir eine Ölpest voraussahen, mussten aber direkt zu Stufe 3 übergehen. Die Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der bedrohten einzigartigen Flora und Fauna der Ile aux Aigrettes sind mittlerweile abgeschlossen. 12 Mauritische Brillenvögel und 6 Mauritiusweber wurden eingefangen und mit Zustimmung des Nationalpark- und Naturschutzdienstes in die Volieren des Black River Parks (auch bekannt als Gerald Durrell Endemic Wildlife Sanctuary) gebracht. Dort verbleiben sie bis sich die Bedingungen auf der Ile aux Aigrettes verbessern und wir sie dann zurückbringen können." 
Insgesamt wurden 4.000 endemische Pflanzen - einige davon sind sehr selten - aus der Gärtnerei auf das Festland gebracht und werden auf dem Gelände des Forestry Services Mahebourg und im Ferney Valley aufbewahrt.
Es hat 36 Jahre gedauert und bedurfte mehr als 300.000 Pflanzen, um den einzigartigen Küstenwald der Ile aux Aigrettes zu schaffen. Dieser ist die Heimat der stark gefährdeten Vogelarten „Mauritius Olive White Eye“ (Mauritius-Brillenvogel), „Mauritius Fody“ (Mauritius Weber) und der besonders schutzbedürftigen rosa Tauben „Pink Pigeon“. Diese drei endemischen Vogelarten aus Mauritius wurden in den 1990er Jahren auf die Ile aux Aigrettes umgesiedelt.

Während die Behörden, Versicherer, Reinigungsfachleute und Spezialisten aus Frankreich, Japan, Indien und der UNO noch darüber debattierten, wie das Schiffswrack entsorgt werden soll, hat der "offizielle Reinigungsprozess" unter Aufsicht des Umweltministeriums und der französischen Firma Le Floch begonnen. Die Behörden bestätigten, dass Le Floch Einheimische, insbesondere Fischer für die Reinigungsarbeiten rekrutieren und ausbilden wird. Freiwillige, die zu Beginn der Katastrophe zu Tausenden erschienen sind, wurden um Geduld gebeten und auf die Anweisungen der Behörden zu warten. Einige Freiwillige sind jedoch immer noch an vorderster Front und arbeiten mit den Spezialisten und den Behörden zusammen.

Ein Teil des auseinander gebrochenen Schiffswracks wurde inzwischen 30 Kilometer vor der Küste versenkt und liegt in 3000 Meter Tiefe. Trotz des Sachverhalts, dass das Wrack nicht vollständig von Giftstoffen und Öl befreit werden konnte, hielten die Behörden vor Ort dies für die beste Lösung.
Foto: Nik Cole, Mauritian Wildlife Foundation
Organisationen wie MWF und die vielen Freiwilligen haben durch ihren schnellen Einsatz noch Schlimmeres verhindert. Wie gravierend die Folgen für die Natur und die Menschen sind, lässt sich aber noch nicht abschließend einschätzen. Insbesondere ist unklar, wie die als artenreichste Ökosysteme geltenden Korallenriffe, Seegraswiesen und Mangrovenwälder auf die Kontamination mit Öl reagieren. Auch kann keiner garantieren, dass die auf Ile aux Aigrettes verbliebenen Pflanzen keine Langzeitschäden davon tragen. Das Koralleninsel-Reservat weist zahlreiche Hohlräume auf, in denen sich das Meerwasser mit dem Grundwasser vermischen und den Boden kontaminieren kann. Dies kann letztendlich zum Absterben der dort endemischen Pflanzen führen.

Es steht ein langer Säuberungsprozess bevor, um den Lebensraum, die Gesundheit, Fortpflanzung und Nahrung bedrohter Tierarten sicherzustellen und für die Menschen eine Perspektive zu entwickeln. Jean-Hugues Gardenne, Fundraising & Communications Manager des MWF sagt hierzu: "Es gibt zwar noch keinen Hinweis über die Dauer der Aufräumarbeiten, aber die Auswirkungen dieser Ölpest werden mit Sicherheit noch lange zu spüren sein. Die Fischer in der Region sind stark betroffen, und derzeit sind die Anwohner entlang der Küste immer noch den starken Dämpfen und Gerüchen ausgesetzt. Mangroven, Korallen und das Meeresökosystem sind ebenfalls gefährdet, und die Auswirkungen auf den Tourismus, einer Säule unserer Wirtschaft, werden enorm sein. Die seit fast vier Jahrzehnten durchgeführten Naturschutzarbeiten auf der Ile aux Aigrettes stehen auf dem Spiel".

Wie geht es weiter? Welche Schlussfolgerungen sollte man aus der Ölkatastrophe ziehen?

Die Natur in Mauritius mit den vielen endemischen Arten war schon vor der Havarie des japanischen Frachters stark bedroht. Zu den Bedrohungen gehörten - wie in vielen anderen Ländern - zum Beispiel invasive Arten. Der NABU, deutscher Partner der MWF im internationalen Birdlife-Netzwerk weist in seinem Artikel zum Beispiel auf den Dodo hin, ein großer flugunfähiger Vogel, dem das Einschleppen von Ratten und anderer Haustiere bereits Ende des 17. Jahrhunderts den Garaus machten. Aber auch der Tourismus, die Landwirtschaft und die  Fischerei dienen nicht nur dem Einkommenserwerb der Einwohner, sondern stellen zugleich Bedrohungen für die Natur dar. Und jetzt kommen die noch nicht vollständig absehbaren Folgen aus der Ölkatastrophe hinzu.

Der NABU weist vor allem auf dringend erforderliche Anpassungen bei der internationalen Schifffahrt hin. Aber auch der Tourismus-Sektor und vielleicht auch wir alle sollten aus der Katastrophe aus dem August 2020 unsere Konsequenzen ziehen. Insgesamt wäre hier zu nennen:
  • Bessere Steuerung und Kontrolle der Schifffahrtsrouten, das heißt: Fracht- und Tankschiffe sollten Küstengewässer meiden und dort, wo das nicht möglich ist, sollte die Pflicht bestehen, einen lokalen Lotsen an Bord zu nehmen. Auch müssen andere Antriebsformen und andere Treibstoffe zum Einsatz kommen, damit Ölkatastrophen dieser Art vermieden werden. 
  • Weniger und naturverträglicherer Konsum und Tourismus, das heißt: mehr Konsum lokaler Produkte, damit (internationale) Transportwege vermieden werden. Und zugleich Verzicht auf eine Form des Massentourismus, die mit Blick auf lokal verfügbare Ressourcen und die schützenswerte Flora und Fauna nicht nachhaltig ist.   
All dies bedeutet nicht, dass Besuche im 'Naturparadies Mauritius' nicht mehr stattfinden können oder sollen. Aber wir wünschen uns einen respektvollen Umgang mit den Schätzen der Natur, in Mauritius und überall auf dieser Welt.     
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